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Das MHD und Lebensmittelverschwendung - wichtig, veraltet oder irreführend? |   Blog

Wie ist aber lautet die genaue Definition des MHD, also des Mindesthaltbarkeitsdatums? Gibt es noch ein weiteres Datum, das man kennen muss? Und was haben unsere fünf Sinne dabei mit Lebensmittelverschwendung zu tun?

 

"Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Verfallsdatum"
Dieser Aussage würden laut einer Umfrage von Statista1 aus dem Jahr 2022 immerhin 47% der Befragten zustimmen. 25 % würden dies von der Art des Lebensmittels abhängig machen und ca. 1% kann mit dem MHD wohl wenig anfangen. Allerdings glauben immerhin 24%, dass ein Verzehr nur bis zu diesem Datum sicher ist. Am meisten Wert legen die Deutschen bei folgenden Produkten aufs MHD1.1: Fleisch/Wurst, Eier/Eiprodukte und Milchprodukte.
Wie ist aber nun die genaue Definition des MHD, also des Mindesthaltbarkeitsdatums? Gibt es noch ein weiteres Datum, das man kennen muss? Und was haben unsere fünf Sinne dabei mit Lebensmittelverschwendung zu tun?

 

Ist das MHD noch zeitgemäß?

Um das zu beurteilen, müssten wir uns zunächst einmal ansehen, was uns das MHD eigentlich sagt – und was viele Menschen heute hinein“interpretieren“.
Eingeführt Ende 1981 sollte das MHD Verbraucher*innen davor schüzten, verdorbene Lebensmittel zu kaufen bzw. zu genießen. Doch auch die beste Qualität sollte mit diesem Datum garantiert werden. So wurden mit Lebensmittelchemikern Zeiträume festgelegt, in denen unterschiedlichste Arten von Lebensmittel unter bestimmten Vorraussetzungen als sicher verzehrsfähig gelten (man spricht auch von einwandfreier mikrobiologischer Beschaffenheit), aber auch die spezifischen Eigenschaften wie Geschmack, Geruch, Farbe und Nährwerte behalten. (Quelle 2). Vorraussetzung: angemessene Aufbewahrungsbedinungen.
Und hier zeigt sich auch schon die Krux bei der Wahrnehmung vieler Konsument*innen.  Nach wie vor interpretieren viele das MHD als „Verzehrsdatum oder Verbrauchsdatum“.
Das Verbrauchsdatum hat besonders leicht verderblichen Lebensmitteln natürlich seine Berechtigung. Das MHD allerdings sagt uns „mindestens haltbar bis…“. Also wie schon erklärt, gibt der Hersteller damit an, dass das Lebensmittel, sofern es richtig transportiert und gelagert wurde, seine Qualität behält.
Und da stoßen wir schon auf ein Problem!

 

Nomen est omen

Wie wir sehen, nimmt die Zahl der Menschen, die einem Produkt nach Ablauf des MHD absolut nicht mehr trauen, immer weiter ab. Dennoch erlebt man es immer noch viel zu häufig: MHD gecheckt – Mülleimer auf, Produkt weg.
Oft wird kritisiert, dass das MHD die Vebraucher*innen in die Irre führe. Denn viele würden das „Mindestens“ falsch interpretieren. In Amerika lautet die Bezeichnung nicht „mindestens“, sondern „best before“, was man übersetzen könnte mit „der optimale Zustand wird garantiert bis zu diesem Datum“. Was eben nicht heißt, dass mit Ablauf dieser nicht weiterhin gewährleistet sein kann.


Was denkst Du? Bräuchten wir lediglich mehr Aufklärung zum MHD – oder einen neuen Namen, der eindeutiger ausdrückt, was gemeint ist?
Denn einige Lebensmittel sind quasi ewig haltbar, völlig unabhängig vom MHD –sofern gut gelagert und vorm Verbrauch nochmal gecheckt:
Dazu gehören Beispielsweise Reis, Nudeln ohne Ei, getrocknete Bohnen/Erbsen/Linsen, Weißweinessig (da er nicht gärt), hochprozentige Alkoholika wie Schnaps, alle Arten von Zucker, Honig, Salz, Konserven in unversehrten Dosen.

 

Benutze Deine Sinne, bevor etwas im Müll landet

Auch VOR Ablauf des MHD kann ein Lebensmittel an Qualität verlieren oder sogar verderben, wenn es falsch gelagert wird. Hitze, Feuchtigkeit, Frost, all das kann bereits vor Ablauf des MHD zum Qualitätsverlust führen. Die Nüsse oder das Öl, die bereits vor Ablauf des MHDs ranzig riechen, würde wohl keiner von uns trotzdem einfach weiterverwerten. Was machen wir also in solchen Fällen? Genau! Wir verlassen uns auf unsere Sinne  - und testen. Und genau DAS funktioniert auch nach Ablauf des Haltbarkeitsdatums.

Tasten, genau unter die Lupe nehmen, riechen und als letztes, wenn alles zuvor unauffällig war, schmecken. Das gibt uns einen guten Anhaltspunkt, ob das Lebensmittel nach wie vor verzehrbar ist:

  • Sehen:  Ist die Verpackung des Produkts in einwandfreiem Zustand? (Beult sich eine Dose bereits, o.ä.)?, Entspricht die Farbe dem Originalzustand?, Hat sich im Inneren der Verpackung bereits Flüssigkeit gesammelt, die dort nicht hingehört?,...
  • Tasten: Fühlt sich das Produkt, ggf. auch in der Packung, so an, wie man es kennt?, Hat sich die Konsistenz des geöffneten Produkts verändert? (zähflüssiger, flüssiger als normal?, Entspricht die Konsistenz während der Zubereitung des Produkts der zu erwartenden?,...
  • Riechen:    Entspricht der Geruch des geöffneten Produkts dem gewohnten Geruch?, Entspricht der Geruch während der Zubereitung des Produkts dem gewohnten Geruch?
  • Schmecken:     Entspricht der Geschmack einer kleinen Portion des Produkts dem gewohnten Geschmack?

Abgesehen von der mikrobiologischen Beschaffenheit, kommen dann auch persönliche Vorlieben ins Spiel, wenn das Produkt augenscheinlich noch genießbar ist und lediglich die spezifischen Eigenschaften gelitten haben:

 

Anspruch: Perfektion

Denn auch diejenigen unter uns, denen die Bedeutung des MHD klar ist und die nie einfach ungeöffnet einen Joghurt entsorgen würden, weil es überschritten wurde, fühlen sich jetzt vielleicht ertappt. Bei Qualitätseinbußen wandert dann doch mal etwas in den Müll, was eigentlich noch bedenkenlos verzehrbar wäre. Wer kennt ihn nicht, den enttäuschenden Moment, wenn man den Schokoriegel auspackt und einem statt sattem, glänzenden Braun ein mattest Grau entgegenblickt. Sie wäre aber genießbar und könnte beispielsweise geschmolzen oder zerkleinert weiterverarbeitet werden.

Doch leider überträgt auch der Handel diesen Wunsch nach Perfektion auf sein Angebot.

Bei vielen Kund*innen wandern die Produkte mit dem noch am längsten ausgezeichneten MHD bevorzugt in den Warenkorb. Artikel werden häufig weit vor Ablauf des MHD bereits aussortiert. In manchen Läden kennen wir mittlerweile die Ecken, in denen solche Artikel dann als Sonderangebot ausgezeichnet werden. Das ist übrigens keine Pflicht für die Händerl*innen!
Sowohl der Verkauf wäre nach Ablauf des MHD weiterhin erlaubt, als auch das Beibehalten des Ursprungspreises. Doch wie gesagt – wie würde das in unsere immer mehr nach Perfektion strebende Welt passen?
Somit landen auch im Einzelhandel absolut verzehrsfähige Lebensmittel im Müll. Eigentlich nicht vorstellbar, oder?


Frankreich handelt

Das sahen auch die Franzosen und Französinnen so. Aufgerüttelt und aufgeklärt, unter anderem durch eine Petition des französischen Kommunalrats Arash Derambarsh, forderten Bürger*innen ein Handeln der Politik. Das Parlament erließ dort im Mai 2015  ein Gesetz, das dem Handel untersagt, einwandfreie Lebensmittel zu vernichten. Es zwingt sie, diese an karitative Einrichtungen abzugeben.3

Weil es bei uns noch kein solches Gesetz gibt, kleben sich jugendliche Aktivist*innen derzeit auf Straßen fest und demonstrieren unter anderem gegen die Wegwerf- Praxis, die bei uns täglich noch Gang und Gäbe ist. Ob dieses Vorgehen zum einen notwendig und zum anderen erfolgsversprechend ist, muss jede*r selbst beurteilen. Dass auch bei uns diesbezüglich dringend Handlungsbedarf besteht, darüber gibt es aber keine großen Diskussionsmöglichkeiten. In Deutschland haben wir uns lediglich das Ziel gesetzt, bis 2030 die Verschwendung von Lebensmitteln zu halbieren. Wie und wodurch? Das ist irgendwie noch nicht so ganz klar…


In Deutschland handeln vor allem noch Privatpersonen

Hier wollen wir aber eins nicht außer Acht lassen:
Durch den großen, ehrenamtlichen Einsatz und die Leistung vieler Privatmenschen werden auch in Deutschland heute bereits aussortierte Lebensmittel von einigen Händler*innen an beispielsweise „die Tafeln“ abgegeben. Doch es darf nicht alleine auf den Schultern dieser Ehrenamtlichen ruhen, dass große Mengen Lebensmittel in einwandfreiem Zustand nicht mehr im Müll landen.


Auch die „Foodsharing“ Kampagne", die ihr über www.foddsharing.de erreicht, wird von Privatmenschen getragen, die im eigenen Umfeld ganz konkret das Wegwerfen von Lebensmitteln verhindern will.

Und so könnte man hier noch zahlreiche weitere tolle Projekte aufzählen.

 

Stigma muss fallen

Laut einer Forsa-Umfrage kauft mittlerweile jede*r dritte Bundesbürger*in bewusst vergünstigte Lebensmittel mit bald ablaufendem MHD.4
Für die einen ist es eine Notwendigkeit, um Geld zu sparen, für die anderen eine Möglichkeit, wertvolle Lebensmittel zu retten.
Das macht natürlich einen enormen Unterschied in der Wahrnehmung. Für viele ist das Kaufen von reduzierten Lebensmitteln immer noch negativ behaftet. Wer er sich leisten kann, kauft „gute und frische Lebensmittel“. Dass das ablaufende MHD und damit einhergehende Reduzierungen keinesfalls das Gegenteil bedeuten, haben wir hier aufgezeigt.


Vielleicht zieht es Dich ja bei Deinem nächsten Einkauf gleich mal in die Ecke der aussortieren Lebensmittel. Oder Du greifst beim Kauf von Joghurt nicht zum längsten MHD. Jeder Schritt macht einen Unterschied!

 

 

Abbildungen und Bilder: UBiZ, pixabay.de

 

Quelle 1: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/477929/umfrage/umfrage-zur-bedeutung-des-mindesthaltbarkeitsdatums-in-europa/

Quelle 1.1: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1254841/umfrage/relevanz-des-mhd-bei-lebensmittelentsorgung/

Quelle 2: https://www.bzfe.de/nachhaltiger-konsum/lagern-kochen-essen-teilen/lebensmittelverderb-erkennen/

Quelle 3: https://edison.media/erleben/lebensmittelverschwendung-er-gegen-den-muell/24054528.html

Quelle 4: https://www.rundschau.de/artikel/forsa-umfrage-mhd-verliert-abschreckende-wirkung

 

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