Wie schon in einem früheren Beitrag beschrieben, beschäftigt sich unser Modellprojekt 2022/2023 „Restlos WERTvoll – Schätze auf Deinem Teller“ neben der Aufklärung zum Thema Lebensmittelverschwendung auch mit dem Thema Lebensmittelwertschätzung. Denn ohne diese Wertschätzung wieder zu finden, werden wir nur schwer etwas an unserem Verhalten ändern, das zu ungeheuren Mengen an Lebensmittelabfällen beiträgt. (Alleine in Deutschland etwa 11 Millionen Tonnen pro Jahr, Quelle 1).
Doch wie schaffen wir es, unser Essen als etwas nicht so Selbstverständliches, allzeit Verfügbares wahrzunehmen, wie wir es in einem Wohlstandsland wie unserem tun? Wie können wir diese auch in der Bildungsarbeit, mit Kindern, Jugendlichen wie auch Erwachsenen, einfließen lassen? Dazu gab und gibt es in den zwei Projektjahren im UBiZ verschiedene Aktionen und Veranstaltungen, in denen wir und unsere Referent*innen genau das vermitteln möchten.
Eine dieser Veranstaltungen stellen wir Euch heute etwas genauer vor.
Wildnisküche – Kochen und Essen unter freiem Himmel
Wer es kennt, wird sich beim Stichwort sofort wieder an Umgebung, Situation und Geschmack erinnern. Wer es nicht kennt, hat definitiv etwas verpasst!
Essen, am besten noch nach einer Anstrengung, draußen, unter freiem Himmel. Oder sogar am Lagerfeuer. Nie hat ein einfaches Brot, eine gebackene Kartoffel oder ein Eintopf besser geschmeckt, oder?
Das liegt zum einen daran, dass wir hier in der Regel gemeinsam essen, während eines Picknicks, während einer Wanderung oder in der Freizeit mit Familie oder Freunden am Lagerfeuer. Gemeinsam das Essen zu teilen macht glücklich, lässt und Glückshormone ausschütten und hält uns dadurch tatsächlich auch gesund! (Quelle 2)
Zum anderen ist diese Art des Essens oft auch mit vorhergehender Anstrengung verbunden. Jede*r von uns kennt es: Bewegung an der frischen Luft macht Appetit und Hunger ist der beste Koch.
Die Anstrengung kann aber auch darin bestehen, überhaupt erst die Voraussetzungen zu schaffen, sich ein warmes, leckeres Essen zubereiten zu können.
Erst die Arbeit – dann das Vergnügen
All diese Aspekte fanden sich auch in unserem Fortbildungsangebot „Die Wildnisküche“ wieder, für das wir am 11.11.2022 Anke Camphausen zu uns nach Zeil holen konnten.
Nach einem kurzen Einstieg in das Thema Lebensmittelverschwendung in Deutschland und die Auswirkungen weltweit vermittelte Frau Camphausen der Gruppe die Grundlagen für ein einmaliges Koch-Ess-Erlebnis mitten in der Natur an einem herrlichen sonnigen Novembertag.
Die Natur- und Wildnispädagogin hatte einiges im Gepäck - neben Erfahrung und Know How auch Kistenweise Material, Inspirationen und Ideen zum Feuermachen und Kochen unter freiem Himmel. Das Ziel des Tages: gemeinsam verschiedene warme Mahlzeiten an unseren Lagerfeuerstellen zu brutzeln und zu genießen.
Zu Hause wird der Ofen mit einem kleinen Dreh warm, das Wasser kocht, Tüte oder Packung auf und das Essen in der Pfanne brutzelt. Wenn es nicht schmeckt, ist die Lösung für viele ganz einfach: Ab in den Müll…
Für die Gruppe hieß es zunächst: wie bekommen wir jetzt überhaupt erst mal ein Feuer hin? In Zweierteams ging ab in den Wald um Material zu suchen, mit dem es gelingen könnte. Allerdings nicht mit einem Streichholz oder einem Feuerzeug, sondern mit Funkenschlag eines Feuerstahls. (durch die begrenzte Zeit wurden Alternativen wie Schlageisen und Feuerstein oder Feuerbohrer nur theoretisch behandelt).
„Das Feuer ist zunächst wie ein kleines Baby und braucht auch ein kleines Babynest“. Mit diesem einzigen Hinweis schickte die Referentin die Teams los. Die Ausbeute sah dann auch bei allen ähnlich aus: kleine Zweige, trockene Blätter, etwas Rinde. Ebenso hatten alle dieselbe Schwierigkeit zu meistern: Durch vorherigen Regen und Nebel war das Material feucht bis nass…
So versuchten sich vier Teams eifrig daran, daraus nun ein brauchbares Feuer zu zaubern. Nein, es war keine Sache von nur fünf Minuten. Um es abzukürzen: wir bedanken uns herzlich für die Tipps, die Frau Camphausen nach einiger Zeit des Ausprobierens für uns hatte. Die Küche wäre sonst an diesem Tag wohl roh und kalt geblieben.
Das Gefühl, wenn endlich ein Funke auf etwas Brennbares trifft und sich eine kleine Flamme zeigt, ist einfach ein unglaubliches Erfolgserlebnis – egal in welchem Alter.
Mit unseren kleinen Baby-Feuerchen wurden anschließend drei Feuerstellen in Feuerschalen größer gefüttert. Um zu zeigen, welche Vor- und Nachteile verschiedene Holzarten haben, wurde ein kleines Birken-, ein Fichten- und ein Buchenfeuer geschürt.
Feuer ist ein Element für alle Sinne
Zu hören war das unterschiedliche Zischen beim Verbrennen von Harz, zu sehen das ruhige Feuer der Buche oder unruhigere Feuer der Fichte und sogar die unterschiedlichen Farben der Flammen, zu riechen und auch zu schmecken der Rauch, den vor allem das schwer in Gang zu setzende Buchenfeuer erzeugte und zu spüren natürlich auch sofort die Wärme oder Hitze der Flammen.
Feuer spielte für die Entwicklung des Menschen hin zum heutigen „Modell“ eine sehr große Rolle, nicht nur beim Thema Nahrung. Durch die bessere Verwertbarkeit von gekochter Nahrung wurden unsere Vorfahren einfacher und besser mit Kalorien und wichtigen Inhaltsstoffen der Nahrungsmittel versorgt. Ob nun durch die Kochkost unser Gehirn wachsen konnte oder durch ein wachsendes Gehirn der Mensch anfangen konnte, sich mit Kochkost zu versorgen, darüber streitet sich die Wissenschaft. (Quelle 3) In jedem Fall änderte die Bewusste Nutzung von Feuer das Leben in damaligen Zeiten ganz massiv.
Und so anstrengend es sein kann, überhaupt erst mal ein Feuer zustande zu bekommen, so viel Verantwortung bedeutet es anschließend, um es am „Laufen“ zu halten und nicht plötzlich nur noch vor einem kokelnden Haufen zu stehen.
Zusammenfassen kann man den ersten Teil unserer Vorbereitungen und das, was man als Teinehmer*in mitnimmt, vielleicht so:
Planen –Try and error – Strukturiert vorgehen - Lösung finden – umsetzen – bei der Sache bleiben, Zuständigkeiten festlegen.
Nach dem Feuermachen ist vor dem Essen (und nur nicht verbrennen lassen)
Während unsere Feuer nun vor sich hin prasselten, zeigte Frau Camphausen, dass selbst einiges an Zubehör für das bevorstehende Kochen sehr einfach selbst hergestellt werden kann. Von selbst mit Glut gebrannten Schüsseln und Löffeln über geschnitzte Schaber bis hin zu selbst gebogenen Grillzangen kann man, bei genügend Zeit, auch hier die Grundlage für einen wertschätzenden Umgang mit unseren Ressourcen legen. Utensilien sind nicht selbstverständlich vorhanden, vieles, was man braucht, muss erst selbst hergestellt werden. Auf diese Art und Weise kann bei viel Zeit über mehrere Tage ein solches Kocherlebnis mit Gruppen im wahrsten Sinne des Wortes ERARBEITET werden.
Für die Gruppe hieß es nun: schnippeln, würzen und überlegen, was auf welche Art und Weise über welcher Feuerstelle gekocht werden sollte.
Pfanne oder Muurikka? Rost oder nicht? Was bereitet man wirklich am/mit dem Feuer zu, wozu nutzt man die Glut?
Folgendes Menü wurde aus den mitgebrachten Zutaten gezaubert:
Brennnessel-Chips
Gemüsepfanne
„Mini Pizza Calzone“
Schokobanane und Popcorn
Tee mit „heiße Steine Wasser“
Wir brauchen wohl nicht zu beschreiben, mit welch großem Appetit sich alle auf die leckeren Gerichte gestürzt haben. Egal ob Brennnessel-Chips oder Schokobanane – es war ein Genuss.
Und wäre da nicht Frau Camphausens achtsames Auge gewesen, wäre wohl vor lauter Essen-Genießen die ein oder andere Mini-Pizza verbrannt.
Achtsamkeit – nicht nur bei der Vorbereitung
Denn das ist tatsächlich ein Punkt, den man sehr gut im Blick haben muss beim Kochen am Feuer: die Zubereitung geht durch die große Hitze zum Teil rasend schnell und ein wachsames Auge und gute Beobachtung ist essentiell, um nicht am Ende doch wieder Lebensmittelabfälle zu produzieren. Das passierte uns tatsächlich mit einem Teil unseres Popcorns, das am Boden dann doch etwas zu dunkel geraten ist.
Was denkt ihr? Bewirkt eine solche Zubereitung eine höhere Wertschätzung für das Essen? Könntet ihr Euch vorstellen, so etwas zu Hause oder mit Gruppen zu nutzen?
Welche Ideen habt ihr, um die Wertschätzung für Lebensmittel zu erhöhen und auch an andere weiterzugeben?
Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Teilnehmenden und Frau Camphausen sowie den Wettergöttern für einen wunderschönen November-Freitag und werden das Gelernte auf jeden Fall weiter in unserem UBiZ-Programm umsetzen.
In unserem nächsten Beitrag geht es passend zum Thema „Wertschätzung“ weiter mit dem Thema „Meal Prep“.
Quelle 1: Quelle:FAO, the state of food security and nutrition in the world
Quelle 2:https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/24430853/
Quelle 3:https://www.welt.de/wissenschaft/article110117088/Gekochte-Nahrung-machte-unsere-Vorfahren-klueger.html